Die digitale Transformation ist wie der Bau eines neuen Hauses: Neben einem soliden Bauplan braucht man ein starkes Fundament und die richtigen Materialien. Und eine erfahrene Bauleitung. Ein wesentlicher Bestandteil der digitalen Transformation ist für viele Unternehmen die Implementierung von SAP S/4HANA. Bei einer erfolgreichen S/4HANA Transformation wird entsprechende Erfahrung zum Erfolgsfaktor. Doch wer kann die Bauleitung für S/4HANA übernehmen? Erfahrene S/4HANA „Bauleitungen“ werden händeringend gesucht. Wie und wo kann man sie identifizieren?
Für eine erfolgreiche S/4HANA Umsetzung: Chancen und Herausforderungen für Unternehmen und Berater*innen
Zunächst: Geht es um Migrationen („Brownfield“) oder um „echte“ Transformationen z.B. mit Umstellungen auf Clean Core? Laut einer aktuellen Gartner-Studie sind erst 30% der Endanwender live auf einem S/4HANA-System. Diese Zahl ist unabhängig von einer vorausgegangenen Brownfield-Migration oder Greenfield-Implementierung. Je nachdem, ob die Unternehmen entweder ihre bestehenden Systeme grundlegend modernisieren (Brownfield) oder komplett neu anfangen (Greenfield) sind unterschiedliche Erfahrungen zu berücksichtigen. Der Brownfield-Ansatz ermöglicht die Minimierung von Risiken und Kosten. Umgekehrt muss genau darauf geachtet werden, dass alle Voraussetzungen für die Umstellung auf S/4HANA erfüllt sind und es zu keinen Ausfällen oder Verzögerungen kommt. Schliesslich handelt es sich um eine sogenannte In-place-conversion des vorhandenen Systems, es existiert kein Altsystem, welches weiter genutzt werden könnte. Der Greenfield-Ansatz hingegen bietet die Möglichkeit, von Grund auf neu zu beginnen und alles nach den neuesten Standards zu errichten. Dementsprechend wird hier aber Erfahrung mit den neuesten Technologien und Methoden der S/4HANA Transformation zum Erfolgsfaktor.
Hungrige Berater*innen/Lehrlinge vs. erfahrene Experten/Baumeister*innen
Ein wichtiger Erfolgsfaktor auf dem Weg zu S/4HANA ist das Team, das das Projekt durchführt. Hier stehen Unternehmen vor der Wahl: Setzen sie auf „hungrige“ Berater*innen, die wie unerfahrene, motivierte Handwerker*innen frischen Wind und innovative Ideen ins Projekt bringen? Oder bevorzugen sie „fertige“ Expert*innen? Bei einer S/4HANA Transformation kann der Erfolgsfaktor Erfahrung eine große Rolle spielen: Hat die Bauleitung bereits zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt? Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Hungrige Berater*innen können neue Perspektiven und Begeisterung mitbringen, während erfahrene Experten*innen durch ihre Routine und ihr Fachwissen überzeugen. Und mit der Einführung von S/4HANA hat sich auch eine Menge verändert, nicht zuletzt im Bezug auf die Implementierung.
Begrenzte Anzahl erfahrener Berater*innen und hohe Erwartungen der Kunden
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die begrenzte Anzahl erfahrener Berater*innen im S/4HANA-Bereich. Diese Berater*innen sind wie seltene und begehrte Architekt*innen, deren Zeit und Expertise stark nachgefragt sind. Viele Endkunden haben sehr hohe Erwartungen an diese Berater*innen. Vergleichbar mit Bauherren, die nicht nur ein solides Haus, sondern ein architektonisches Meisterwerk für ihr neues Eigenheim erwarten. Diese hohen Erwartungen setzen die Berater*innen unter erheblichen Druck und machen das Erwartungsmanagement umso wichtiger. Denn die Erwartungen an alle Beteiligten sind stets hoch.
Externe Berater sind keine Allwissenden: Zusammenarbeit im Geben und Nehmen
Es ist wichtig zu erkennen, dass auch externe Berater*innen keine Allwissenden sind. Sie bringen wertvolles Wissen und Erfahrung mit, doch die erfolgreiche Implementierung von S/4HANA erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Beratern*innen und Inhouse-Teams. Diese Zusammenarbeit muss ein Geben und Nehmen sein, bei dem beide Seiten voneinander lernen und gemeinsam an der Lösung arbeiten. Genau wie bei einem Bauprojekt, bei dem Architekt*innen, Bauherr*in und Handwerker*innen kontinuierlich kommunizieren und zusammenarbeiten müssen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
S/4HANA Transformation und Erfolgsfaktor Erfahrung: Wie kommen Angebot und Nachfrage zum Einklang?
Die Erwartungen an die Fähigkeiten und das Wissen der Berater*innen sind oft hoch – sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Berater*innen selbst. Doch wie können Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden? Hier kommt das Erwartungsmanagement ins Spiel. Unternehmen müssen sich fragen, wie attraktiv sie als Arbeitgeber sind. Gleichzeitig sollten Berater*innen ihre eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen und kontinuierlich weiterentwickeln1. Beratungshäusern ist zu empfehlen, sich durch Trainee-Programme die Expert*innen von morgen hausintern auszubilden. Endkunden wiederum sollten bereit sein, diese auch den Zugang zu Projekten ermöglichen: Entweder für einen sehr geringen Tagessatz bzw. vielleicht sogar ohne Faktura um so Praxiskenntnisse im Kundenprojekt zu erlangen. Zusätzlich ist eine offene Kommunikation zwischen beiden Parteien entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden und eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Genau wie beim Bau eines Hauses, bei dem Architekt*innen, Handwerker*innen und Bauherr*innen ständig im Austausch bleiben müssen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
Inhouse vs. Beratung: Zusammenarbeit auf der Baustelle
Die Implementierung von S/4HANA zeigt deutlich, dass Inhouse-Teams und Beratungsunternehmen oft in zwei verschiedenen Welten leben. Während Beratungen durch ihre Spezialisierung und Erfahrung in diversen Kundenprojekten meist einen Wissensvorsprung haben, können Inhouse-Teams auf Grund der (noch) nicht vorhandenen praktischen Erfahrung nicht mithalten. Einzelne Beispiele zeigen zwar, dass ehemalige Berater*innen, die nun Inhouse arbeiten, ihren Fokus auf ein SAP-System legen wollen und mit einem dynamischen Mindset an solche Projekte herangehen. Teilweise sind die Scheuklappen auf Grund langjähriger Unternehmenszugehörigkeit erschwerend. Oftmals zeigt sich in der Realität ein Missmatch, der eine erfolgreiche Implementierung erschwert. Ähnlich wie bei einem Bauprojekt, bei dem die Zusammenarbeit zwischen externen Expert*innen und internen Teams nicht immer reibungslos verläuft.
Attraktivität als Arbeitgeber: Was können Unternehmen bieten, um Talente von morgen und Expert*innen zu locken?
Unternehmen sollten sich fragen, wie sie es ihren Mitarbeitern schmackhaft machen können, bei ihnen zu arbeiten. Es geht nicht nur darum, attraktive Gehälter zu bieten, sondern vor allem um flexible Arbeitsmodelle (Kernarbeitszeiten, Remote-Arbeit vs. Office-Quoten) Weiterbildungsmöglichkeiten und eine positive Unternehmenskultur. Auch hier: vergleichbar mit einem Bauherrn, der seinen Handwerker*innen nicht nur gutes Werkzeug, sondern auch ein angenehmes Arbeitsumfeld bietet, um das Projekt zu einem Erfolg machen zu können. Spezialwissen und übergreifendes Wissen müssen im Einklang stehen, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage muss kontinuierlich hinterfragt und geschlossen werden. Beispielsweise durch Programme wie Altersteilzeit, die ein riesiges Problem darstellen können, wenn sie nicht richtig gemanagt und frühzeitig erkannt werden und dem Entgegenwirken durch Ausbildung neuer „S/4HANA-Lehrlinge“ – den Expert*innen von morgen. Schliesslich spielt auch nach der S/4HANA Transformation der Erfolgsfaktor Erfahrung eine große Rolle.
Fazit
Die Implementierung von S/4HANA ist wie der Bau eines Hauses: Sie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten, eine klare Vision und die Bereitschaft, kontinuierlich an sich zu arbeiten. Unternehmen und Berater*innen müssen ihre Erwartungen realistisch einschätzen und daran arbeiten, ihre Attraktivität und Produktivität zu steigern. Nur so kann die digitale Transformation erfolgreich gestaltet und langfristiger Unternehmenserfolg sichergestellt werden. Am Ende steht dann ein stabiles, modernes Haus, in dem sich alle wohlfühlen.
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Ich freue mich sehr über den Beitrag von Marcel. Er bringt hier seine langjährige Erfahrung aus der IT-Personalberatung bei der Vermittlung von festangestellten Expert*innen und Führungskräften im SAP-Markt ein. Zusätzlich hat er einen starken Fokus auf Karriereberatung. In dieser Funktion versteht sich Marcel als Moderator und Sprachrohr für den Markt, da aus seiner Sicht häufig ein Delta zwischen Vorstellungen und Realität vorherrschen.
Der Beitrag von Marcel zeigt m.E. sehr gut auf, wie wichtig eine realistische Erwartungshaltung an die verfügbaren S/4HANA Skillsets ist. Abgesehen von der Tatsache, dass es angesichts des bevorstehenden Wartungsendes von SAP ECC ohnehin einen Engpass bei der Quantität gibt, sollte man auch bei der Qualität im Blick behalten, was möglich ist! Wunschdenken hilft selten weiter….
Die Erfahrung mit S/4HANA-Transformationen ist in Unternehmen bislang noch begrenzt. Zwar haben viele Organisationen die Umstellung bereits gestartet, wirklich abgeschlossen wurde die Transformation nur bei den Wenigsten. Ein Grund dafür sind die fehlenden internen Ressourcen mit praktischer S/4HANA-Erfahrung, nicht alles kann von (ebenfalls knappen) externen Beratern geleistet werden. Der Aufbau von Know-how im eigenen Haus bleibt daher eine große Herausforderung und ein zentraler Erfolgsfaktor für die nächsten Jahre.